Sonntag, 28. September 2008

05. The Sleepy Jackson - good dancers




 Das Intro: Schlagzeug Auftakt, dicht gefolgt von einer an die 70er Jahre erinnernde Gitarre. Dan Wyllie, hauptberuflich Schauspieler spielt in dem Video „good dancers“ von The Sleepy Jackson die Hauptrolle, er betritt in Arbeitsbekleidung und mit Besen ausgestattet den Flur. Er fegt zweimal unmotiviert mit dem Besen auf dem Treppenabsatz über den Boden. Neugierig geht Dan Wyllie den Flur entlang auf die Kamera zu, dabei lässt er die Arbeit – das Fegen des Bodens – gestisch in Form des Besens schleifen. Die acht Takte des Intros neigen sich dem Ende. Dan Wyllie schlendert der Tür entgegen und stößt sie auf.
 Die erste Strophe: In der Mitte des Bildes öffnet sich die Glastür. Die Kamera fährt zurück. Gesang setzt ein:
„Don't always dream for what you want
But I love to watch good dancers talk
My heart is stronger than you all
But I love to watch good dancers talk“

 Währenddessen läuft Dan Wyllie Kaugummi kauend in einem ausholenden Bogen in dem sich ihm eröffnenden Raum, an der Kamera vorbei. Dabei schiebt er den Besen spielerisch vor sich her oder lässt ihn wahlweise hinter sich her schleifen. Die Kamera folgt ihm mit einem Schwenk über den Raum. Dieser ist durch viele große Fester lichtdurchflutet. Die Wände sind wie seine Arbeitskleidung und auch die Kleidungen aller anderen Personen im Raum weiß-bläulich. Die Kleidung bekommt dadurch etwas Chamäleon artiges. Man sieht eine mit metallischen Jalousien verschlossen Essensausgabe. Davor steht ein Rollwagen. Es scheint sich bei den Raum um eine Art Altersheim, Psychiatrie oder Ähnliches zu handeln. Außer Dan Wyllie sind noch fünf Patientinnen und eine Schwester im Zimmer. Eine Patientin sitzt in einem Drehstuhl und spielt mit einer Puppe, eine andere sitzt in einem Rollstuhl vor einer Tischtennisplatte, eine dritte sitzt an einem Tisch und eine vierte steht mit ihrem mobilen Tropf starr vor einem geschlossenen Fenster und schaut hinaus. Eins der Fenster ist offen, Dan Wyllie läuft daran vorbei. Man sieht einen Baum. Im Vordergrund steht ein Fernseher – ein älteres Modell - und hinten an der Wand ein Klavier.
 Der erste Refrain: Im Fernseher ist die Band zu sehn. Sie sind knall gelb gekleidete, bis auf den Sänger der ebenfalls hellblau trägt. Die Band singt Hände haltend zusammen den Refrain: „The war's good and i'm so tired“. Das Frequenzspektrum der Musik insbesondere des Gesangs ist im Refrain auf die Mitten konzentriert, dadurch wirkt die Musik als kämme sie tatsächlich aus dem Apparat. Dan Wyllie stellt sich neben dem Fernseher, ihm Konkurrenz machend auf.
 Die zweite Strophe: Musikalisch und textlich wird die erste Strophe wiederholt. Dan Wyllie wippt leicht zur Musik. Erster Schnitt. Gegenschuss: das gegenüber dem Fernseher stehende Sofa ist zu sehen. Auf dem Rand des Sofas kniet mit einem Bein die Schwester, das andere Bein berührt leicht den Boden. Sie starrt in die Richtung von Dan Wyllie, bis sie sich ihrer Pflichten erinnert und fortfährt eine ältere Patientin, die neben ihr auf dem Sofa sitzt zu füttern. Zweiter Schnitt. Die Kamera blickt wieder auf Dan Wyllie, dieser wippt im Takt der Musik und lässt dabei den Besen über den Boden tanzen. Dritter Schnitt. Noch einmal ein Gegenschuss auf das Sofa: Die Schwester blickt erneut für 2 Sekunden von ihrer Arbeit auf, wendet sich dann aber wider der Patientin zu. Die Schwester tupft der Patientin den Mund ab, es läuft parallel die Zeile „My heart is stronger than you all“. Vierter Schnitt. Die Kamera blickt wieder zurück auf Dan Wyllie. Er macht sich bereit. Er stellt den Besen, indem er ihn gegen den Fernseher lehnt ab und platziert sein Kaugummi darauf.
 Der zweiter Refrain: Erneut die Zeile „The war's good and i'm so tired“. Dan Wyllie beginnt zur Musik sehr körperbetont und rum albernd zu tanzen. Fünfter Schnitt. Die Schwester lacht. Sechster Schnitt. Dan Wyllie hält vor dem Sofa inne und reicht der Schwester die Hand. Sie ergreift seine Hand und er zieht sie an sich heran. Der Refrain läuft immer noch, sie tanzen dazu Hände haltend. Die Schwester tanzt nur sehr zögernd, in einer Hand hält sie immer noch den Löffel mit Essen.
 Die Bridge: Er lässt sie los und tanzt sich drehend in den Raum hinein. Synchron wird „When you think with your mind you've got a place to go now“ dazu gesungen. Dan Wyllie tanzt im Bogen um die Patientin im Drehstuhl herum, um sie dann mit Schwung anzudrehen. Der Stuhl dreht sich wild um die Achse, während die Frau darauf regungslos bleibt. Dan Wyllie bewegt sich wieder auf die Schwester zu und reicht ihr die Hand. Sie ergreift erneut seine Hand und lässt sich heran ziehen. Er hält sie an der Hüfte und schaut begierig auf den Löffel. Sie füttert ihn und steckt danach den Löffel in ihre Tasche. Sie tanzen, sich eng haltend miteinander. Die letzte Textzeile wird wiederholt. Sie lösen sich von einander, tanzen aber immer noch dicht beieinander. Auch die Schwester wirkt jetzt gelöster. Er zieht sie noch einmal an sich heran. Sie blickt schüchtern zu ihm auf.
 Das Outro: Eine Mandoline leitet die letzten Takte ein. Dan Wyllie blickt erschreckt und lässt die Schwester los. Er bewegt sich langsam rückwärts laufend von ihr weg. Die Kamera fährt mit. Er geht zum Fernseher um seinen Besen und den Kaugummi wieder aufzulesen, dabei schaut er zu ihr zurück. Siebter Schnitt. Sie schaut ihm nach. Achter Schnitt. Er wendet sich von ihr ab und verlässt den Raum. Im Flur fegt er noch einmal gestisch mit dem Besen über den Boden, bevor er auch den Flur zu den letzten leiser werdenden Tönen verlässt.

[in progress...]

Sonntag, 10. August 2008

04. Zivis bei der Arbeit - Lucky




 2000: Britney Spears noch im Kostüm des jungen aufstrebenden Weltstars, noch mit dem Bewusstsein für ihr junges Publikums und dessen Durst nach melancholischen Liedern, welche die Welt in Frage stellen, singt vom erfolgreichen aber so unglücklichen Starlet. Der Titel heißt ironisch „Lucky“ und zeigt auf wie das Glück verloren ging als Preis für den Erfolg der Arbeit.
 2007: Die Zivildienstleistenden Patrick („schonokk“) und Daniel („DanTheZivi“) drehen ein neues Musikvideo zu „Lucky“ von Britney Spears, anstatt ihren Dienst am Staat zu leisten, so suggeriert es zumindest der Titel ihres remake: „Zivis bei der Arbeit“.
 Pop-optimistisch könnte man hier von den emanzipatorischen Eigenschaften der Popkultur sprechen, deren wesentlicher Charakterzug gerade die Aneignung der Massenkultur ist und dadurch die Differenz zur letztgenannten im Moment der Aneignung markiert.1 Die britischen cultural studies sprechen hier von „empowerment“, einer Ermächtigung, die vom Subjekt selbst ausgeht, und die durch zum Beispiel Popmusik angestoßen werden kann.2 So stellt beispielsweise in der Punkbewegung der Moment der Aneignung von Massenkultur den Schwerpunkt der Bewegung da. Mit dem Gebrauch des „do it yourself“ sollte ein kritischer, reflektierter Umgang mit Konsumgütern beschrieben werden, der in seiner Konsequenz jeglichen Konsum und die damit verbundene unnötige Arbeit ablehnt.
 Heute wird in Baumärkten und Möbelhäusern das „do it yourself“ in erster Linie benutzt, um den Konsum anzukurbeln. Und die provokativ zerschlissene Kleidung der Punks gibt es jetzt in jeder Modeboutique zu kaufen, weshalb hier auch nicht mehr von Verschleiß gesprochen werden kann, sondern nur noch von Löchern, welche auch nicht mehr auf den zeitaufwendigen, mühsamen, arbeitsbegleitenden Prozess verweisen können. Dieser Verweis wäre ein rein symbolischer, und verliert allein durch die veränderte Praxis (Löcher bedeutet nicht zwangsläufig alt) seine Gültigkeit.
 Als rein symbolisch kann auch das Video verstanden werden, da die darin geübte Kritik an den Verhältnissen auf einen sehr kleinen Ausschnitt beschränkt bleibt. So wird nicht die Arbeit im allgemeinen, sondern lediglich der Zivildienst als Zwang empfunden. Und dies, obwohl alle Arbeit durch bestimmte Mechanismen erzwungen wird, aber weniger durch gesetzliche, sondern vorwiegend durch ökonomische. Der Spielraum, welcher durch die scheinbare Möglichkeit der Wahl des Berufsfeldes eröffnet wird, suggeriert hier die Selbstverwirklichung und Freiheit. Es wäre freilich zu viel verlangt, diesen Widerspruch durch ein Video aufzulösen - dass er aber als solcher noch nicht einmal bemerkt wird, bleibt eine Schwachstelle des Clips.
 Da sich die Begrenzung auf den Zivildienst lediglich durch den Titel sowie im Abspann mit den Verweis auf die youtube group „Zivi“ vermittelt, kann das Video auf visueller Ebene radikalere Bilder finden, welche über diese von den Autoren gedachten Grenzen hinaus weisen.
 Das Video beginnt mit dem Einblenden des Namens der Sängerin („Britney Spears“) und des Titels („Lucky“) des interpretierten Musikstücks. Daraufhin wird dem Zuschauer Daniel („DanTheZivi“) mit gelbem Stroh ähnlichen Schnüren auf dem Kopf (wahrscheinlich Verpackungsmaterial) verkleidet als Britney Spears, vorgestellt. Dieser muss synchron zu den Liedzeilen „early morning - she wakes up - knock, knock, knock on the door“ von seinem ärmlichen Sofa aufstehen, um zur Arbeit zu gehen. An dieser ersten Einstellung wird schon deutlich, wie absurd verschränkt die nachgestellte Videoszene mit dem tatsächlichen Tagesablauf des Zivildienstleistenden ist. Das Originalvideo von Britney Spears beginnt hingegen als allererstes mit dem Aufziehen eines Bühnenvorhanges, also einen Verweis auf das Künstliche, Gespielte. Daraufhin sieht man sie verkleidet als Hollywoodschönheit, die von einem Diener, welcher ihr Blumen bringt, geweckt wird und die dann von ihrem großen Himmelbett aufsteht. Das Video „Zivis bei der Arbeit“ macht somit nicht nur die Unmittelbarkeit des Liedes zur eigenen Arbeitswelt deutlich, sondern auch, durch die parodierte Übernahme des Aufsteh-Motivs, die große Distanz zwischen dem Originalvideo und der Lebenswirklichkeit des Publikums.
 Durch Verzicht auf den Bühnenvorhang in „Zivis bei der Arbeit“ wird klar, dass man sich zwar verkleidet, aber trotzdem oder gerade deswegen immer noch die Wirklichkeit abbildet.
 Als nächstes geht Daniel („DanTheZivi“) ins Bad, schmiert sich dort stellvertretend für das Make-up Wandfarbe ins Gesicht, um dann auf der Arbeit zu erscheinen. Hier wartet aber nicht, wie durch den Text angekündigt („It's you they're all waiting for“) irgendwer auf ihn. Damit ist auch die Hauptaussage des Videos getroffen: Zivildienst ist sinnlos, weil Zivis auf der Arbeit machen können, was sie wollen, was daran liegt, dass erstens niemand sie kontrolliert und es zweitens auch überhaupt nichts zu tun gibt. Das einzige, was hier noch stört, ist die ironische Haltung, welche ja suggeriert, dass man sich genau dies, nämlich Kontrolle und Arbeit, wünscht.
 Es folgt eine der schönsten Einstellungen des Videos: Daniel betritt das Dach der Lagerhalle, das Panorama im Hintergrund macht deutlich, dass man sich inmitten eines Industrieparks befindet, wo er dann anfängt, typische Tanzbewegungen nachzuahmen, wie sie durch Musikvideos (beispielsweise "Macarena" oder "Bailando" ) in den 90ern verbreitet wurden. Die Szene erinnert auch stark an den Abspann von Michael Glawoggers „Megacities“ von 1998, wo ebenfalls junge ausgebeutete Arbeiter zu Popmusik tanzen. Und auch dort tanzen sie merkwürdig verloren in ihrer Arbeitsumgebung, wie beispielsweise auf einer Mülldeponie.3 Die nutzlose bumble gum Popmusik geht mit dem sinnentleerten Arbeitsalltag eine dramatische Synthese ein. Hier wird deutlich das die Frage: wer lebt Pop? eigentlich mit der Gegenfrage, Wer lebt nicht Pop? beantwortet werden müsste. Gerade auch in dem Sinne, dass der Pop die Verankerung des Widerspruches zwischen den Verheißungen durch die Massenkultur auf der einen Seite und den ernüchternden Alltag auf der anderen Seite als Praxis darstellt.4 Der einzige Unterschied scheint hier der zu sein, dass in der Popmusik das Nutzlose stets gefeiert wird.5 Hingegen wird im Arbeitsalltag das Nutzlose als negativ dargestellt und nur zu oft, zu leichtfertig auf den nutzlosen Arbeiter reduziert, welcher dann kurzerhand wegrationalisiert werden kann.



Quellen:
1Udo Göttlich / Rainer Winter: Politik des Vergnügens: zur Diskussion der Populärkultur in den cultural studies. Herbert von Halem Verlag: Köln, 2002, S. 8 f.
2Ralf Hinz: Cultural Studies und Pop: zur Kritik der Urteilskraft wissenschaftlicher und journalistischer Rede über populäre Kultur. westdeutscher Verlag: Wiesbaden, 1998, S.114 ff.
3Es ist wahrscheinlich auch kein Zufall, dass eben genau "Megacities" vor zwei Jahren durch Timo Novotny zu eine Art Megamusikvideo verwandelt wurde.
www.lifeinloops.com, (22.08.2008)

4 "Und wer lebt denn Pop? Wo ist denn jemals Pop in irgendeiner Weise vom "Repräsentationsmodell der Darstellung" herausgetreten in die konkrete Alltagspraxis der Menschen? Pop ist überhaupt kein alltagsstrukturierende Verhaltensweise, sondern vielmehr der ideologische Ausdruck genau dieser Illusion."
Roger Behrens: Die Diktatur der Angepassten. Texte zur kritischen Theorie der Popkultur. transcript Verlag: Bielefeld, 2003, S. 159

5Bei Tocotronic heißt es beispielsweise auf ihrem sehr treffend betitelten Album "Kapitulation": "Ja ich habe heute nichts gemacht - Ja meine Arbeit ist vollbracht" und "Das Nutzlose wird siegen - Das Nutzlose bleibt liegen". Tocotronic reihen sich damit wohl wissend, in eine Tradition ein, welche bis zum dekadenten "all art is quite useless" (der Schlusssatz des manifest artigen Vorwortes zu "Das Bildnis des Dorian Gray") von Oscar Wilde zurückreicht.

Sonntag, 27. Juli 2008

03. Medium Wechsel
– Musikvideos vom Mainstream zum Subarchiv


 Das Musikvideo als Synthese vom Musik und Bild ist keine Erfindung von MTV. Es gab bereits vor dem 1. August 1981, dem offiziellen Start des Senders in Amerika, Experimente in dieser Richtung. „Das vermutlich erste Instrument zur Aufführung visualisierter Musik wurde Mitte des 16. Jahrhunderts von Giuseppe Arcimboldo (1527-1593), Hofkünstler am Prager Hof des Habsburgischen Kaisers Rudolph II., gebaut. Dieses »graphische Cembalo« ordnete ebenso wie das bekannter gewordene, von dem Jesuitenpater Louis-Bertrand Castel (1688-1757) entwickelte »optische Cembalo« über eine komplizierte Mechanik jedem gespielten Einzelton eine in den Raum projizierte Farbe zu. Oskar Fischinger, der in den zwanziger Jahren zu den Pionieren des avantgardistischen abstrakten Films gehörte, produzierte zwischen 1921 und 1953 etwa dreißig Filme, in denen er mit rhythmisch wechselnden Formen- und Figurenkombinationen der Musik ein visuelles Äquivalent zu schaffen suchte. Der Tonfilm hat dann ab 1929 die Möglichkeiten für solche Experimente erheblich erweitert. Insbesondere Harry Smith, unter anderem in der Zusammenarbeit mit dem Jazz-Musiker Thelonious Monk, aber auch Hy Hirsch und Norman McLaren, der mit »Begone Dull Care (Caprice en Couleurs)« (1949) Musik des Oskar Peterson Trios visualisierte, haben sich in der Nachfolge von Fischinger mit den Möglichkeiten der filmischen Visualisierung von Musik auseinandergesetzt. McLaren nutzte 1969 in »Pas de deux« unter Verwendung eines Optical Printers auch zum ersten Mal ein multiples Bild, wie es heute auf der Basis des einfacheren elektronischen Luminance Key-Verfahren in nahezu jedem Videoclip zu finden ist. Auf Hy Hirsch geht die Technik des optischen Kopierens zurück, die als Chromakey (Zusammenkopieren verschiedener Bilder) und Matting (Zusammenkopieren von Positiv und Negativ des gleichen Bildes) bekannt geworden ist und heute ebenfalls zum visuellen Standardrepertoire des Musikvideos gehört. 1961 machte der Koreaner Nam June Paik mit seinen Video-Art-Experimenten »Installations« auf den Kunstausstellungen von sich reden. Mit einer Art Videoklavier, seinem Paik-Abe-Videosynthesizer, schuf er eine eigenwillige Bildersprache zu Musik, deren man sich in den heutigen Videoclips reichlich bedient.“1
 Dennoch wurden viele Stilmerkmale des Musikvideos, wie wir es heute kennen, erst durch das Musikfernsehen (für welches der Name MTV programmatisch steht) geprägt beziehungsweise weiter entwickelt.2 In wie fern das Musikfernsehen das Musikvideo geprägt hat, wird allerdings in erster Linie durch den Produktionsumfang deutlich. Erst durch die Verbreitung von Musik durch das Fernsehen und den damit verbunden Hype in der Musikindustrie wurde die Produktion von Videos mit Millionen Budget möglich.3 Entsprechend sahen auch die Videos aus: mit teuren spezial Animationen und professionellen Schauspielern durchsetzte Filme, die sich nur da durch von Spielfilmen unterschieden, das sie auf vier Minuten zusammen geschrumpft und zum Beat der Musik geschnitten wurden. Nach der, durch das Internet verursachten Krise der Musikindustrie lies sich dieser Standard nicht mehr halten, da das Budget nicht mehr zur Verfügung stand. Das Musikfernsehen rechnete sich nicht mehr, und ging infolgedessen Bankrott. Zwar gibt es den Sender MTV noch (im Gegensatz zu den ehr alternativ ausgerichteten VivaZwei oder Onyx.tv), aber man findet auch hier nur noch selten Musikvideos beziehungsweise eine sehr beschränkte Auswahl. Das Musikvideo brauchte nun ein neues Trägermedium. So kam es dazu, dass Sammlungen von Videos auf DVD veröffentlicht wurden. Diese hatten immer einen thematische Ausrichtung, zum Beispiel das Schaffen einer Band, eines Regisseurs oder eines Genres zusammenzufassen. Zusätzlich kam durch den Verkauf der DVDs wiederum Geld in die Kasse der Musikindustrie, aber nie in dem Maße, wie man es gewohnt war. Außerdem verlor das Video hier seine Gültigkeit als Werbeträger, und wurde zur Ware an sich. Dies wiederum hatte zur Folge, dass es kaum eine Ankurbelung der Plattenverkäufe durch die DVDs gab, da sie Hauptsächlich von Fans gekauft wurden, die die Platten schon hatten. Lediglich als Beilage zu Musikmagazinen erfüllt eine DVD mit einer Auswahl an aktuellen Musikvideos noch einen Werbezweck. Jedoch halten sich solche Bemühungen in Grenzen, so gibt zum Beispiel die Spex alle drei Monate eine DVD raus, allerdings nur für Abonnenten. Ähnlich kommen auch Szene Magazine wie der Hammer (ebenfalls alle drei Monate) oder der Sonic Seducer (einmal im Jahr) als Dankeschön mit einer DVD Beilage raus. Auch hier sind die Produktionskosten für die DVD zu hoch, so das es sich für die Magazine in allgemeinen nicht rechnet, zumal viele Magazine von ihren Lesern sowieso schon als zu teuer kritisiert werden.
 Während die Musikindustrie in die Krise stürzte, wendete sich die Jugend einem neuen Gadget zu: dem Handy. Und auf einmal waren sämtliche Werbeblocks auf den Musiksendern von Klingelton Werbung belegt, da man hier die entsprechende Zielgruppe vermutete. Dies trug nicht unbedingt zur Steigerung der Attraktivität der Sender bei. Die Musikindustrie indes begann sich der Situation anzupassen, und vermarktete ab sofort (ähnlich wie sie es zuvor mit Liedern als Klingelton tat) das Musikvideo als Handyfilmchen4. Getragen vom Handyboom, entstanden zahlreiche Kooperationen zwischen Musikern und Handyherstellern, was nicht selten auch dazu führte das in den Musikclips offensiv für Handys geworben wurde. Durch diese Kooperation konnten auch weiter hin teure Video gedreht werden, mit denen man nun nicht nur die Platte sondern auch das Video vermarktete. Für die Musikszene außerhalb des Mainstream stellten die Handyvideos jedoch keine glaubhafte Alternative zur Verbreitung von Musikvideos da.
 Einige Musik Labels begannen ihre Videos auf der eigenen Seite ins Internet zu stellen. Jedoch wurden sie dort eben nur von denjenigen gefunden, die danach suchten. Zeitgleich traten auch die ersten Online-Musik-Fernsehen Projekte in Erscheinung, wie beispielsweise Tunespoon.
 Tunespoon versucht alternativer Musik ein Forum zu geben, in dem Musikvideos als kostenloser Stream im Internet angeboten werden. Die Form des Stream hat dabei ebenfalls wie zuvor beim Musikfernsehen, den Nachteil, dass der Zuschauer nicht direkt eingreifen kann, sondern lediglich konsumiert was ihm vorgesetzt wird. Das Musikfernsehen wurde also vom Fernsehen auf das Internet übertragen, ohne das man auf die Besonderheiten des Mediums Internet eingegangen ist.
 Durch das Aufkommen von Videoplattformen wie Youtube, Ourmedia oder speziell für Musikvideos popzoot.tv, ändert sich das. Hier gibt es keinen Stream mehr, es wird vielmehr ein Archiv geöffnet, an dessen Gestaltung jeder User teilhaben kann. Der Begriff User soll an dieser Stelle darauf verweisen, das die Gruppe der Nutzer, für die diese Möglichkeiten bestehen, bestimmte Bedingungen erfüllen müssen. Als Einfachstes Beispiel sei hier der Internetzugang erwähnt. Obwohl also im Zusammenhang mit Web 2.0 und Social Software gerne davon gesprochen wird, dass Jeder nun Autor sein kann, bleibt festzuhalten, dass das Internet immer noch ein Medium ist. Als solches ist es nur jenen Menschen zugänglich, die bestimmte technische Bedingungen erfüllen können. Bei Videoportalen bedeutet dies, dass zusätzlich beispielsweise auch noch eine Videokamera notwendig ist um sich zu beteiligen. Da im Amateurbereich meistens nicht mit Profiequipment gearbeitet werden kann und so statt einer Filmkamera häufig nur mit der eingebauten Handykamera und dem dazugehörigen Mikrophon gearbeitet wird, schlägt sich hier ein deutliches technisches Manko in Form von Rauschen, Verzerrung, Pixel- und Farbfehlern auf das resultierende Video nieder. Diese Fehler haben natürlich auch ästhetische Qualitäten, werden aber in der Regel im Amateurbereich nicht als solche eingesetzt.
 Des Weiteren ermöglichen es Videoplattformen dem Nutzer auch Material von anderen bereitzustellen. Dies wird zwar von den offiziellen Plattformen selber aus rechtlichen Gründen untersag, kann aber angeblich wegen der Unübersichtlichkeit und Masse nicht kontrolliert werden. Das heißt, dort wo es keinen Kläger gibt, wird auch nicht eingegriffen. Viacom (Medienkonzern und Inhaber von unter anderem MTV und Viva) hat zwar auch schon versucht gegen diese Praxis zu klagen, allerdings bisher mit wenig Erfolg. Damit kann jeder User nicht nur zum Autor bzw. Regisseur sondern auch zum Archivar werden. Entsprechend setzt sich Youtube aus vielen Subarchiven – nämlich den Sammlungen der User - zusammen, welche alle nach Kategorien (zum Beispiel bei Youtube nach: Autos, Comedy, Education...) und Suchbegriffen (Tags) eingeordnet werden. Die Kategorien geben dabei eine grobe Richtung vor, während die Tags von den Nutzern selber festgelegt werden. Das macht es nahezu unmöglich das Archiv nach etwas abwegigeren Kategorien zu durchsuchen (Beispielsweise Musikvideos mit Arbeitsmotiven). Im Konsumverhalten führt dies dann zum - aus Ferhnsehtagen bekannten - zapping. Einige Musiklabels (wie beispielsweise Universal, aber auch kleinere Labels wie Domino) nutzen diesen Effekt und haben eigene Channels eröffnet, in denen man von einer Neuerscheinung zur nächsten klicken kann.
 Das Medium Internet ermöglicht es allen Nutzern nun auch Videos zum Thema Arbeit zu drehen, wenn sie den das Bedürfnis haben. Es stellt aber durch seine Form und der damit einher gehenden Liberalisierung der Möglichkeit von Distribution viel radikaler und auch neuartiger Arbeit selber in Frage. Im Fall von Musikvideos insbesondere die Arbeit von Musikern, Regisseuren, Musikmanagern und Plattenfirmen etc. . Auch die verstärkt diskutierte Frage nach Geistigem Eigentum5 und Entwicklungen wie die Creative Commons License sind Folgen der neuen Distributionwege, die das Internet eröffnet.



Quellen:
1Peter Wicke : »Video Killed the Radio Star«: Glanz und Elend des Musikvideos. aus: Positionen. Beiträge zur Neuen Musik, 1994, 7ff
http://www2.hu-berlin.de/fpm/texte/wicke3.htm, (23.07.2008)

2ebd.
3http://www.giga.de/features/storyarchiv/00125015_die_teuersten
_musikvideos/
, (23.07.2008)

4http://www.netzwelt.de/news/72865-verkehrte-netzwelt-die
-musikvideo-verschwoerung.html
, (23.07.2008)

5www.freie-radios.net/portal/content.php?id=16541, (17.08.2008)

Sonntag, 6. Juli 2008

02. the Kinks - dead end street




 Lange Zeit galt das Musikvideo zu Queens „Bohemian rhapsody“ von 1975 als das erstes Musikvideo, weil es die Musik nicht in einer bloßen Aufführung repräsentierte sondern auf visueller Ebene versucht wurde zur Musik ein filmisches Pendant zu schaffen. Damit grenzte es sich als erstes von Preformancevideos ab. Diese waren vorwiegend als Livemitschnitt von Konzerten, als inszenierte Nachstellungen von Auftritten in Form eines Videos oder am häufigsten als ein nachgestellter Auftritt in speziellen Musiksendungen, wie zum Beispiel „Top of the Pops“, meist mit Hilfe von Playback Einspielungen, präsent. Auch gab es bereits Musikfilme wie zum Beispiel „A hard day´s night“(1964) von the Beatles oder „Tommy“(1975) von the Who. Diese hatten aber meist Spielfilmlänge und auch Spielfilminhalte, und sind deswegen auch ehr mit Musicalverfilmungen (zum Beispiel „Hair“(1979) oder "The Rocky Horror Picture Show"(1975)) vergleichbar.
  Bereits 1966, also 9 Jahre vor „Bohemian rhapsody“ ist der Promofilm zu dem Lied „Dead end street“ von the Kinks entstanden. Der Film stellt ebenfalls bereits eine Transformation des Liedtextes in eine Erzählung da und verzichtet gänzlich auf performative Ansätze, weshalb es mittlerweile als das erste Musikvideo gilt. The Kinks zählen zu den typischen Vertretern der Modszene, welche eine Abzweigung der britischen Beatszene darstellt. Die Musiker der Szene kamen vorwiegend aus der Arbeiterklasse. Ihr Hauptaugenmerk lag aber gerade auf dem Verdecken ihrer Herkunft, durch zum Beispiel teuer wirkende Kleidung oder Accessoires. Das heißt durch eine Nachahmung des Auftretens höherer (Einkommens stärkerer) Klassen. Auf diese Weise wird mit der Möglichkeit einer selbstbestimmten Klassenzugehörigkeit gespielt und diese nicht als angeborene Beschränkung akzeptiert. Im Text wird dies durch die immer wieder in einem aggressiven Tonfall wiederholten Zeilen aus dem Refrain „People live on dead end street“ und „People are dying on dead end street“ deutlich, an die jeweils auch noch ein im Chor gerufenes „Dead end“ anschließt. Das Video zeigt auch passend dazu die Band als Totengräber der im Text als „strictly second class“ beschriebenen Arbeiterklasse, die überdies auch eine solche gar nicht mehr ist, da sie keine Arbeit mehr hat („Out of work and got no money“ und „We both want to work so hard, We can't get the chance“). Dadurch wird einmal mehr auf die Unnotwendigkeit der Lage hingewiesen.
  Das Lied beginnt musikalisch mit einer dominanten Trompete, welche Trauermarsch ähnliche Musik spielt. Auf visueller Ebene wird parallel dazu die Band als Totengräber vorgestellt. Diese sind adrett gekleidet und bewegen sich mit dem bestellten Sarg durch die Straße. Hier wird insbesondere auf die prekären Raumbedingungen verwiesen, in dem der Platz der Straße fast komplett durch die Totengräber eingenommen wird. Dieses Bild spitzt sich im Hausflur zu, wo allein der Sarg den ganzen Raum füllt. Auf diese Weise wird der beanspruche Lebensraum mit dem Raum des Sarges, das heißt dem nötigen Raum für den Leichnam gleichgesetzt. Im Liedtext ergibt sich daraus folgerichtig die Frage „What are we living for?“.
  Der Songtext beginnt in der 1. Strophe mit der recht neutral vorgetragenen Beschreibung der prekären Lebensbedingungen in der „Dead end-street“. Dies wird im darauf folgenden Refrain visuell Aufgegriffen, wo dokumentarisch die Lebensbedingungen in Form von Fotos festgehalten werden. Die Zweite Strophe setzt bei der Beschreibung der Lebensbedingungen wieder ein. Wobei hier die Zeile „And my feet are nearly frozen“ in das Bild transformiert wird, wie die dem Anlass passend fein gekleidete Witwe, ihrem Verstorbenen Gatten, die fein säuberlich geputzten Schuhe anzieht. Die Schuhe nehmen hier eine Besondere Rolle ein, was bildlich dadurch unterstrichen wird, das der Tote sonst nur mit einem euphemistischen Nachthemd und einer Schlafmütze bekleidet ist, die auch noch in einem farblichen Kontrast zueinander stehen. Die Schuhe sind das Werkzeug zum schnellen lauf1 und ermöglichen dadurch auch das Entkommen am Ende des Videos. Darüber hinaus sind Schuhe ein allgemein anerkanntes Statussymbol, welches hier über die niedere Herkunft hinweg täuschen soll. Darauf folgen Close-ups auf die Gesichter der Band, in welchen sich die Geldgier der Bestatter spiegelt. So wurde auch die Band beim betreten des Hauses durch das synchron laufende „The rent collector's knocking, trying to get in“ bereits mit den Geldeintreibern gleich gesetzt. Sie stehen somit für die Tatsache das auch das sterben Geld kostet. Es folgt erneut ein Refrain in dem dokumentarische Fotos zu sehen sind und danach eine instrumentale Bridge in der das Alltagsleben nach gespielt wird. Man unterhält sich auf der Strasse über die Nachbaren oder schaut aus dem Fenster, und bleibt somit immer im engen Horizont der Sackgasse gefangen. Aus der auch nur durch den Tot ein entkommen möglich ist. Das Lied fällt beim Abtransport des Toten aus der Sackgasse in ein beschwingtes Klavier Spiel. Kaum aus der unheilbringenden Strasse gebogen macht die Band eine Raucherpause als wäre die Arbeit bereits getan. Der Sarg wird abgesetzt und der Tote, kann als Geist fröhlich zum Takt hüpfend entkommen. Die Befreiung aus der „Dead end-street“ war somit auch ein Ergebnis der Musik, die in Form der Band verkörpert wurde.

Quelle:
1Marcel Mauss beschreibt alle Bewegungen als von der Gesellschaft geprägt. Die Schuhe führt er dabei als explizites Beispiel für Werkzeuge auf, welche Bewegungsabläufe verändern. Im Kontext der Westlichen Gesellschaft bedeutet dies auch, dass die Art und Weise wie wir laufen (schnell, zielstrebig) ökonomisch bedingt ist.
Marcel Mauss: Soziologie und Anthropologie 2: Körpertechniken. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1989, S. 204

Sonntag, 15. Juni 2008

01. Exposition


  Das Musikvideo ist das Medium der Popkultur, es generiert und globalisiert Erscheinungsformen Jugendlichen Widerstands. Und dies seit einigen Jahren nicht mehr über das einst so gefeierte Musikfernsehen. Die meisten traditionellen Musiksender haben in den letzten 5 Jahren Konkurs anmelden müssen. Das Musikfernsehen rechnete sich nicht mehr. Ironischer Weise war es ursprünglich als kostengünstiges Rund um die Uhr Programm zur Steigerung der Musikverkäufe geplant. Aber die Musikverkäufe sind in den letzten Jahren rasant in den Keller gerutscht, und haben die ganze Musikindustrie mit sich in die Krise gerissen. Der Grund ist einmal mehr eine neue Technologie: das Internet. Sie kam über Nacht und zog der völlig unvorbereiteten Musikindustrie ihre Zielgruppe ab. Tauschbörsen auf der ganzen Welt sprossen aus den Boden. Damit entstand nicht nur die größte Konkurrenz mit der es die Musikindustrie je zu tun hatte, sondern auch die unfassbarste, verzweigteste und eine sich stetig regenerierende. Das Netz als Medium scheint zum ersten mal den Vorstellungen Jugendlicher Subversion völlig zu entsprechen. Und genau hier kommt es dank web2.0 Plattformen wie youtube und myspace zu einer Wiedergeburt des Musikclips.
  Die Arbeit, als Beitrag zum Seminar „Arbeit und Ästhetik“ (Sommersemester 2008, Bauhaus-Universität Weimar) wird sich hauptsächlich mit der medienspezifischen Repräsentation von Arbeit in Musikvideos beschäftigen. Die Form als Blog bittet hierbei die Möglichkeit die Videos zeitgemäß mit einzubinden und die Beiträge von außerhalb zu Kommentieren. Sowie die Möglichkeit immer den aktuellen Stand der Arbeit einzusehen, sie befindet sich damit a priori „in progress“. Dies schlägt sich auch in der Gliederung nieder. So wird es entgegen dem Eindruck der durch den Titel, dieses ersten Eintrages entsteht, keine geplante Gliederung geben. Die Beiträge werden vielmehr einzelne Videos und die sich daraus ergebenden Fragestellungen, behandeln.

Florence von der Weth
Studentin der Freien Kunst
Bauhaus-Universität Weimar